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Die Gesellschaft in Tunesien

Gesellschaft in Tunesien im Wandel



Die Gesellschaft in Tunesien ist derzeit, und damit ist auch bereits die Zeit vor dem Aufstand im Frühjahr 2011 gemeint, in einem tiefgreifenden Wandel von traditionellen zu westlichen Mustern und Werten begriffen.

Traditionell bildet die Kernfamilie das kleinste Element der Gesellschaft.
Zur Kernfamilie gehören die Eltern und Kinder einer tunesischen Familie.
Als nächstgrößere Organisationsform dient die erweiterte Familie, zu der nahe Verwandte zählen.

Danach folgen der Stamm (Familienmitglieder im weitesten Sinne) und die Dorfgemeinschaft.

Speziell in ländlichen Gebieten, doch auch noch in vielen Bezirken größerer Städte, speziell bei weniger ausgebildeten und wirtschaftlich weniger erfolgreichen Familien, sind diese alten Strukturen auch noch weitgehend intakt bzw. lebensbestimmend.

Zunehmend verlassen jedoch einzelne, meist jüngere, Familienmitglieder die ländlichen Gebiete und begeben sich auf der Suche nach Arbeit in die größeren (oder andere) Städte, namentlich in die Touristenzentren und die Hauptstadt, denn dort gibt es die meisten Arbeitsmöglichkeiten.

Einige Tunesier versuchen es auch, nach zur Arbeitssuche nach Europa zu gelangen und nehmen dafür auch Massen-Bootsreisen in kleinen Booten auf sich ("Flüchtlinge aus Tunesien"). Andere wiederum versuchen, dieses Ziel durch Heiratsschwindel (Bezness) bei europäischen Frauen zu erreichen.

Auch in früheren Zeiten arbeiteten viele Menschen als "Wanderarbeiter", doch die Arbeiter kehrten nach einigen Monaten bzw. der Saison in das Heimatdorf zurück.
Heute hingegen tendiert das Verhalten ins Gegenteil, indem nämlich der Aufenthalt in den größeren Zentren als dauerhaft und die Rückkehr in die Geburtsgegend nur als temporäre Besuchszeit verstanden wird.

Hierdurch erfolgt eine zunehmende Auflösung der früher streng überschaubaren und reglementierten Familienverbände, denn es ist schwierig, Familienmitglieder, die in großen Entfernungen leben, ständig zu beaufsichtigen und zu bestimmten Verhaltensweisen zu bewegen.
Als Folge wandeln sich auch die Anschauungen und Werte - die Zurückgebliebenen beklagen einen Verfall der Sitten und Moral, während die, die in den großen Städte leben, eine zunehmende Distanz zu den "alten Sitten" gewinnen.

Natürlich findet ein solcher Wandel nicht innerhalb weniger Jahre statt und es gibt viele Zwischenstufen zwischen den traditionellen und modernen Lebens- und Denkweisen, so daß in Tunesien die Gesellschaftsordnung zur Zeit von einer Vielzahl von Positionen gekennzeichnet ist, die sich zwischen den beiden Polen befinden.

Ob und wo zwischen den Polen sich die Mehrheit der Gesellschaft auf mittlere Sicht einpendeln wird, ist ungewiß.

Es ist sowohl eine verstärkte, weitere Hinwendung zu westlichen Werten und Lebensweisen, doch auch eine Rückkehr zu eher traditionellen Werten denkbar.
Maßgeblich bestimmt wird dies letzten Endes durch die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre.

Im Moment jedenfalls, und mit Sicherheit auch noch auf absehbare Zeit hinaus, bestimmen eher traditionelle Anschauungen die tunesische Gesellschaft.

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